Gerichtsverfahren in Kinderfällen
Hier finden Sie ausführliche Informationen über das Gerichtsverfahren bei Anträgen über Kinder zwischen getrenntlebenden Eltern in England und Wales.
Bevor in Kinderfällen man einen Antrag bei Gericht einreichen kann, muss man sich in den meisten Fällen mit einem Mediator ein Mediationsinformations- und eignungstreffen („Mediation Information and Assessment Meeting“ oder „MIAM“) ausmachen, in dem der Mediator die Partei über die verschiedenen Möglichkeiten der Konfliktlösung im Familienrecht informiert und gegebenenfalls feststellt, ob der Fall zur Mediation oder für eine andere Art der außergerichtlichen Konfliktlösung („Non Court Dispute Resolution – NCDR“) geeignet ist. Der Sinn ist, dass Fälle, für die die Mediation oder eine andere Form von NCDR ein möglicher Weg ist, gar nicht erst vor Gericht kommen.
Zusätzlich zu dem Recht, dass in Gesetzen wie dem Children Act 1989 (mit zahlreichen Änderungen, die in der offiziellen Version wohlmöglich noch nicht zu lesen sind), und der Familienrechtsprozessordnung gibt es noch ziemlich weitschweifende Anwendungshinweise („Child Arrangements Programme”) und viele Punkte werden hier wiederholt.
Die meisten Anträge für eine Verfügung in Bezug auf Kinder werden vor einem Familiengericht auf Formular „C100“ gestellt, oder online mit der Online-Version dieses Formulars. Besteht ein Risiko der Schädigungen, sollte auch Formular „C1A“ ausgefüllt werden. Wenn der Antrag bei Gericht eingereicht wird, muss eine Gerichtsgebühr gezahlt werden. Zu diesem Zeitpunkt wrid noch keine schriftliche Zeugenaussage eingereicht (es sei denn, es handelt sich um einen dringenden Notantrag).
Folgend finden Sie Informationen zu:
Genehmigungen zur Antragstellung
Zur Antragstellung bedürfen Sie keiner Genehmigung durch das Gericht, wenn Sie in eine der folgenden Kategorien fallen:
- ein Elternteil des Kindes (egal, ob mit oder ohne elterlicher Verantwortung),
- ein Vormund oder Spezialvormund des Kindes,
- Stiefeltern mit elterlicher Verantwortung,
- jemand, zu dessen Gunsten es eine geltende Kinderregelungsverfügung gibt, die besagt, dass das Kind bei ihnen lebt (früher eine Wohnrechtsverfügung).
Wenn Sie nur einen Antrag zu einer Kinderregelungsverfügung (aber keine Verbotsverfügung oder spezifische Anordnung) stellen wollen, brauchen Sie auch nicht die besondere Genehmigung des Gerichtes, wenn Sie in eine der folgenden Kategorien fallen:
- Stiefeltern, d.h. Ehepartner und Zivilpartner, wenn das Kind als Kind der Familie angesehen wird,
- Personen, bei denen das Kind mindestens drei Jahre gelebt hat oder
- Personen, die die Zustimmung aller Personen haben, die die elterliche Verantwortung für das Kind tragen,
- wenn es eine geltende Kinderregelungsverfügung gibt, die besagt, bei wem das Kind wohnt, jemand, der die Zustimmung aller derer hat, zu deren Gunsten diese Verfügung erlassen wurde, oder
- jemand, der elterliche Verantwortung durch Verfügung als Anhängsel an eine Kinderregelungsverfügung hat, die besagt, dass das Kind mit ihm Zeit verbringen oder sonst Umgang haben soll.
In allen anderen Fällen müssen Sie erst die Genehmigung des Gerichtes beantragen. Die Genehmigung beantragen Sie auf Formular C2.
Schlichtungstermine ("FHDRAs")
An dem Tag nachdem das Gericht den Antrag ausgestellt hat, soll sich ein „Türhüterrichter“ Ihren Antrag ansehen, um zu entscheiden, ob irgendwelche dringenden Schritte eingeleitet werden müssen, und um den Fall einem bestimmten Richtergrad im Familiengericht zuzuweisen, was auch Laienfriedensrichter sein können.
Der Antrag wird dann an die anderen Parteien geschickt, wenn der Antrag auf eine Kinderregelungsverfügung, Verbotsverfügung oder eine spezifische Anordnung gestellt worden ist, es sei denn Sie haben verlangt, dass der Antrag ihnen zurückgeschickt wird, damit Sie ihn zustellen können.
Die anderen Parteien müssen dann ein Formular zur Empfangsbestätigung ausfüllen. In den meisten Fällen beraumt das Gericht gleichzeitig mit der Ausfertigung des Antrags an einem Tag binnen nicht mehr als vier bis sechs Wochen einen kurzen Termin von meist ca. einer halben Stunde an. Dieser Schlichtungstermin wird „First Hearing Dispute Resolution Appointment“ oder „FHDRA“ genannt (früher „conciliation appointment“). Es sei denn, das Gericht hat es anders entschieden, muss der Antrag so an die anderen Parteien geschickt werden, dass sie ihn mindestens 14 Tage vor dem Termin erhalten. Alle Parteien haben bei Gericht hierzu zu erscheinen. Weitere Einzelheiten findet man in der Richtlinie („Child Arrangements Programme“), obwohl lokale Gerichte weitere Bestimmungen machen könnten.
Vor dem „FHDRA“ Termin soll ein Berichterstatter der Organisation CAFCASS Sicherheitsrecherchen zum Kinderschutz anstellen, u.a. beim Jugenddienst des Sozialamtes, der Polizei und durch kurze telefonische Risikoidentifizierungsgespräche mit den Parteien. Weder die Parteien noch der Berichterstatter sollen vor dem Gerichtstermin die Problematik des Falles selbst ansprechen.
Bei diesem ersten Termin wird das Gericht versuchen herauszufinden, ob die Parteien sich einigen können und kann auch darauf hinweisen, wie das Gericht bei einer Hauptverhandlung möglicherweise entscheiden würde. Keiner braucht bei diesem Termin in den Zeugenstand zu treten.
Bei dem Gerichtstermin ist auch ein/e Kinder- und Familienberichterstatter*in anwesend, ein/e speziell ausgebildete/r Sozialarbeiter*in, der/die dann eventuell die Möglichkeit hat, mit den Parteien (und mit den Kindern, wenn diese anwesend sind) in einem Privatzimmer zu reden und dem Gericht hierüber zu berichten. Dies kann dem Gericht helfen, einen Hinweis über den möglichen Ausgang des Falles zu geben. Bei manchen Gerichten ist auch ein Mediator oder eine Mediatorin im Gerichtssaal (oder in einem separaten Zimmer), sodass die Parteien die Möglichkeit der Mediation mit ihm/ihr besprechen können.
Wenn die Parteien sich darüber einigen, was geschehen soll, kann das Gericht dann gleich eine Verfügung erlassen und, wenn es sich hierbei um eine endgültige Einigung handelt, ist damit der Fall beendet. In einigen Gerichten erlässt das Gericht vorläufige Verfügungen, selbst wenn die Parteien sich nicht einig sind. In anderen Gerichten werden vorläufige Verfügungen bei diesen Vorterminen nur dann erlassen, wenn sich die Parteien einig sind. Wenn sich die Parteien nicht endgültig einigen, kann das Gericht den Fall auf einen weiteren kurzen Vortermin vertagen, z. B., um ihnen die Möglichkeit zu geben einen Mediationsversuch zu starten, oder es kann Verfügungen über den weiteren Ablauf der Vorbereitung der Hauptverhandlung erlassen.
Diese können typischerweise so aussehen:
Schriftliche Zeugenaussagen
Alle Parteien werden wahrscheinlich aufgefordert, schriftliche Zeugenaussagen zu einem bestimmten Zeitpunkt bei Gericht einzureichen und den anderen Parteien zuzusenden, z.B. innerhalb von 14 Tagen, in denen folgendes dargelegt wird:
- der Hintergrund des Falles,
- jüngste Ereignisse, die zu der Antragstellung geführt haben und
- Vorschläge für die Zukunft.
Bei einer Hauptverhandlung lesen die meisten Richter die schriftlichen Zeugenaussagen vor der Verhandlung und bilden sich vielleicht schon dann eine Meinung über den Fall. Es ist daher ungeheuer wichtig, dies richtig zu machen. Die schriftliche Aussage muss alle relevanten Fakten enthalten, aber darf nicht zu lang oder zu langweilig sein. Sie muss gut lesbar sein. Es gibt auch Regeln darüber, was man hineinschreiben darf und was nicht. Selbst, wenn Sie sich selbst vertreten, sollten Sie wirklich in Erwägung ziehen, einen guten Anwalt damit zu beauftragen, diese schriftliche Zeugenaussage für Sie aufzusetzen, weil es so wichtig ist, das richtig zu machen. Es ist auch wichtig, die Verfügung hierzu zu beachten. Diese könnte, zum Beispiel, bestimmen, dass die Zeugenaussagen sich auf eine bestimmte Frage beschränken.
CAFCASS Bericht
In den meisten Fällen sollte das Gericht auch einen Bericht von einem/r Kinder- und Familienberichterstatter(in) einholen, einem/r speziell ausgebildete(n) Sozialarbeiter(in), der/die für CAFCASS (den Kinder- und Familiengerichts-beratungs- und Unterstützungsservice) oder das walisische Äquivalent arbeitet. Die Verfügung wird dann zum örtlichen CAFCASS Büro geschickt, das dann innerhalb einiger Wochen eine/n Mitarbeiter*in dem Fall zuordnet. Der oder die Berichterstatter*in wird dann Treffen mit den Parteien und den Kindern vereinbaren und einen Bericht aufsetzen, der dem Gericht empfiehlt, wie weiter vorgegangen werden soll. Die Berichterstattung dauert meist drei Monate. CAFCASS Berichte sind für das Gericht sehr meinungsbildend, und obwohl das Gericht nicht an die Empfehlungen des Berichtes gebunden ist, folgt es diesen in den meisten Fällen. Oft führt der Bericht zu einer Einigung zwischen den Parteien.
Wegen der Verzögerung, CAFCASS Berichte zu bekommen, haben Gerichte aufgehört, in allen außer in ganz kontroversen Fällen CAFCASS Berichte anzuordnen – selbst dann manchmal nur einen Bericht über die „Wünsche und Gefühle“ des Kindes. Dies ist bedauerlich, da die Stimme des Kindes ungehört bleibt. Es kann schwierig sein, eine/n Richter*in davon zu überzeugen, dass ein voller Bericht notwendig ist.
Weitere Vortermine
Um den Parteien solch eine Einigung zu ermöglichen und die Konzentration auf eine Einigung zu lenken, setzt das Gericht oft auch einen weiteren Vortermin an, und zwar ca. zwei Wochen vor dem Haupttermin, aber nachdem der CAFCASS Bericht vorgelegt und von allen Parteien zur Kenntnis genommen werden konnte. Dies ist nicht verpflichtend und hängt ganz vom individuellen Richter ab.
Hauptverhandlung
In den meisten Fällen setzt das Gericht auch eine Hauptverhandlung an, die vier oder sechs Monate nach dem ersten Termin oder viel später stattfindet, abhängig u.a. davon, wann das Gericht Zeit hat. Typischerweise wird diese für einen ganzen Tag oder länger angesetzt, je nach den Umständen des Falles.
Wenn es in einem Fall zu einer Hauptverhandlung kommt, werden wahrscheinlich beide Parteien durch Prozessanwälte („barrister“) vertreten. Die Barrister tragen dem Gericht erst den Antrag, dann die schriftlichen Zeugenaussagen und schließlich den Fall aus der Sicht ihrer Mandanten vor. Beide Parteien müssen dann im Zeugenstand aussagen, erst der/die Antragsteller*in, dann der/die Antraggegner*in. Alle Zeug*innen müssen vor der Aussage einen Eid oder eine formelle Bekräftigung leisten, dass sie die Wahrheit sagen werden. Hierfür wird erst Ihr eigener Barrister Ihnen Fragen stellen; dann wird der Barrister der Gegenseite Sie ins Kreuzverhör nehmen. Der Richter oder die Richterin kann auch Fragen stellen. Wenn eine Partei nicht anwaltlich vertreten ist, und Schwierigkeiten hat, die richtigen Fragen zu stellen, stellt der Richter oder die Richterin die Fragen, die sonst der anwaltliche Vertreter stellen würde. Wenn ein CAFCASS-Bericht vorhanden ist, können Berichterstatter auch vom Richter Fragen gestellt werden, und von den Parteien bzw. deren Anwälten ins Kreuzverhör genommen werden.
Das Gericht fällt dann eine Entscheidung, meist mit der vollen Begründung des Urteils. Manchmal behält sich das Gericht den Urteilserlass auch vor und lädt die Parteien dann eine Woche oder so später noch einmal zur Urteilsverkündigung vor.
Die meisten Fälle im Familiengericht („Family Court“) werden vor einem „District Judge“ oder Friedensrichtern verhandelt, den oder die man mit „Sir“ bzw. „Madam“ anredet. Manchmal sitzt auch ein „Circuit Judge“ der Verhandlung vor, der oder die mit „Your Honour“ angeredet wird. Nur „High Court Judges“ werden mit „My Lord“ oder “My Lady” angeredet (Wie werden englische Richter angeredet?). Alle Fälle werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt, wobei die Richter und Barrister weder Robe noch Perücke tragen.
Tatsachenfeststellungstermin
In Fällen, in denen die Entscheidung von einer umstrittenen Sachfrage abhängt, kann das Gericht einen Tatsachenfeststellungstermin („fact finding hearing“) vor der Hauptverhandlung anberaumen. Dies kann, zum Beispiel, der Fall sein, wenn es Anschuldigungen von Gewalt oder Missbrauch gibt. Das Gericht wird dann die Zeug*innen anhören und ein Urteil darüber fällen, welche Fakten wahr sind. Auf dieser Grundlage kann der Fall sich dann schlichten. Andernfalls wird die Hauptverhandlung sehr viel kürzer.
Anwaltskosten
Bei Verfahren um Kindesangelegenheiten ist es selten, dass das Gericht eine Partei anordnet, die Anwaltskosten der anderen Partei zu zahlen, weil das Gesetz in diesen Fällen nicht im Sinne von „Gewinner“ und „Verlierer“ denkt. Dies kann frustrierend wirken, weil die Anwaltskosten hoch sein können, besonders wenn es zu einer Hauptverhandlung gekommen ist. Nur in sehr seltenen Fällen, in denen eine Partei das Gericht irreführt oder in grober Weise den Prozess in einer unangebrachten Art führt, verfügt das Gericht, dass diese Partei einen Teil der Anwaltskosten oder die ganzen Anwaltskosten der anderen Partei trägt.
In der Praxis heißt das, dass sich jede Partei, die nicht Prozesskostenhilfe vom Staat bekommt, entscheiden muss, ob es die Streitpunkte wert sind, das Geld für ein Verfahren zu investieren. Das bedeutet gerade auch, dass alternative Methoden der Konfliktlösung ernsthaft in Erwägung gezogen werden sollten, weil so diese Kosten vermieden werden können, und nicht nur vor Beginn des Falles, sondern auch bei jedem Schritt während des Gerichtsprozesses.
Sie werden die nötigen Formulare auf der Webseite der Regierung finden
Am Besten ist natürlich immer, dass man den Gerichtsweg vermeidet, denn ein Richter kann nur eine Verfügung erlassen, aber nicht persönlich überwachen, dass das Kind bestimmte Zeit mit einem Elternteil verbringt. Eine Verfügung vollstreckt sich nicht selbst: wenn jemand die Verfügung nicht befolgt oder auf Kleinigkeiten herumreitet, wird die Beziehung weiterhin schwierig bleiben. Außerdem, werden im Leben eines Kindes immer wieder neue Fragen aufgeworfen, über die sich die Eltern einigen müssen.
Die Mediation ist ein kostengünstiger Weg, außerhalb des Gerichtssystems Lösungen zu finden, und sie eignet sich insbesondere für Fragen um Kinder. Daher ist es Pflicht für jeden, der einen Antrag bei Gericht zu einer Kinderregelungsverfügung stellen möchte, erst zu einem Mediationsinformations- und Einschätzungstreffen (MIAM) zu gehen (mit ein ganz paar Ausnahmen). Unsere Seite über Unterstützung hat eine Vielzahl von Quellen, die Eltern helfen, erfolgreich zusammenzuarbeiten und dadurch die Entwicklung ihres Kindes zu fördern.
Für Rechtsberatung zu Ihren persönlichen Umständen, nehmen Sie bitte mit Andrea Woelke Kontakt auf. Er ist Consultant Solicitor bei Josiah-Lake Gardiner Solicitors. Rufen Sie ihn unter 020 3633 0338 (+44 20 3633 0338 aus dem Ausland) an, oder schicken Sie ihm eine (bitte geben Sie Ihren vollen Namen, sowie den der anderen Person in Ihrem Fall und Ihre Telefonnummer, auf der er Sie zurückrufen kann, an).
Bitte beachten Sie, dass Josiah-Lake Gardiner Solicitors keinen Vertrag haben, Mandate auf der Basis der Prozesskostenhilfe (Legal Aid) anzunehmen. Wenn Sie meinen, Ihre finanziellen Umstände könnten Sie zu Legal Aid berechtigen, schauen Sie bitte auf dieser staatlichen Webseite nach und nehmen Sie mit einem Anwalt, der einen Legal Aid Vertrag hat, Kontakt auf.
17. Februar 2024 von Andrea Woelke