Zuständigkeit für Scheidung – Brüssel II

Eine wichtige Frage im internationalen Familienrecht ist, welche Gerichte für eine Scheidung zuständig sind, denn unterschiedliche Gerichte können zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Auf dieser Seite finden Sie:

Zuständigkeit der englischen Gerichte

Um eine Scheidung in einem bestimmten Land einzureichen muss das Paar mit dem Land eine enge Beziehung haben. Ein Ehepartner  kann in England und Wales eine Scheidung beantragen, wenn einer der folgend Punkte zutrifft.

  1. beide haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in England und Wales, oder
  2. beide hatten in England und Wales ihren gewöhnlichen Aufenthalt und einer von ihnen hat dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt, oder
  3. der Antragsgegner hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in England und Wales, oder
  4. bei einen gemeinsamen Antrag, hat einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in England und Wales, oder
  5. der Antragsteller hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in England und Wales, wenn er sich dort seit mindestens einem Jahr unmittelbar vor der Antragstellung aufgehalten hat, oder
  6. der Antragsteller hat in England und Wales sein “domicile” und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort und hat sich dort seit mindestens sechs Monaten unmittelbar vor der Antragstellung aufgehalten hat, oder
  7. beide Ehegatten haben in England und Wales ihr gemeinsames “domicile”, oder
  8. ein Ehegatte hat in England und Wales sein „domicile“.

Der vorletzte Punkt scheint überflüssig zu sein, weil man immer den letzten Punkt benutzen könnte. Das liegt daran, dass die anderen Punkte auf den EU-Regeln basieren (siehe unten). Allerdings ist es besser, man führt alle Gründe an, die zutreffen, weil es möglich sein könnte, dass die Gerichte eines anderen Landes sich die englische Scheidung ansehen und dann einen parallelen Scheidungsantrag dort abweisen basierend auf den Regeln für die Zuständigkeit im Recht des anderen Landes.

Für gleichgeschlechtliche Paare gibt es noch einen Grund: Wenn sie nach englischem Recht geheiratet haben und sich sonst nicht hier scheiden lassen könnten, kann das Gericht den Antrag annehmen, wenn es rechtsdienlich ist. Diese Regelung betrifft, zum Beispiel, Fällen, wo zwei Türkinnen, die zu der Zeit in England gelebt hatten, hier geheiratet haben, und jetzt aber wieder in der Türkei wohnen. Die Gerichte in der Türkei würden sicherlich eine Scheidung nicht annehmen, weil das Türkische Recht keine gleichgeschlechtliche Ehe kennt. Die beiden können sich dann vor dem englischen Familiengericht scheiden lassen.

Für die Auflösung ziviler Lebenspartnerschaften für gleichgeschlechtliche Paare ist das Recht ähnlich.

EU-Regeln für Zuständigkeit – Brüssel II

Die Regeln, welches Gericht in der EU (außer Dänemark) für eine Scheidung zuständig ist sind in allen Ländern fast gleich. Der einzige Unterschied ist, dass für Irland der entscheidende Faktor in der Kategorie, wo dies vorkommt, nicht die Staatsangehörigkeit, sondern das „domicile“ ist.

Man kann in einem EU Land (außer Dänemark) eine Scheidung beantragen, wenn einer der folgenden Bedingungen erfüllt ist:

  1. beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt dort haben, oder
  2. beide dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt dort hatten und einer von ihnen dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder
  3. der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort hat, oder
  4. in Ländern, in denen man einen gemeinsamen Antrag stellen kann, einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort hat, oder
  5. der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort hat, wenn er sich dort seit mindestens einem Jahr unmittelbar vor der Antragstellung dort aufgehalten hat, oder
  6. der Antragsteller ist Staatsangehöriger des betreffenden Mitgliedstaats (oder, im Fall Irlands, hat dort sein “domicile”) und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort und hat sich dort seit mindestens sechs Monaten unmittelbar vor der Antragstellung aufgehalten hat, oder
  7. beide Ehegatten sind Staatsangehörige des Landes (oder, im Fall Irlands, haben dort ihr gemeinsames “domicile”).

Nur wenn keiner der Ehegatten irgendwo in der EU (außer Dänemark) unter diesen Kriterien eine Scheidung starten kann, ist es möglich, dass der Antragsteller sich auf die nationalen Regeln berufen kann, die es vielleicht in einem Mitgliedsstaat gibt.

In den vielen Fällen ist es möglich, dass jeder Ehegatte eine Scheidung in mehr als einem Land starten kann. Allerdings kann man in manchen Ländern eine Scheidung erst nach einer bestimmten Trennungsperiode starten. Weil in England und Wales keine Trennungsperiode verlangt wird, ist es in den meisten Fällen möglich, eine Scheidung in England und Wales früher als woanders zu starten.

Was passiert, wenn es Scheidungsanträge in mehr als einem Land gibt?

Eine zweite Regel des EU Rechtes ist es, dass die Scheidung, die zuerst eingereicht wurde, Vorrang hat und eine später eingereichte Scheidung abgewiesen werden muss. Einige EU=Staaten könnten solche Regelungen auch für nicht-EU-Staaten wie dem Vereinigten Königreich anwenden. Wenn die erste Scheidung allerdings aufgrund des Sachrechtes abgewiesen wird, z.B. weil die Mindesttrennungszeit nicht erfüllt ist, dann kann jede Partei eine neue Scheidung einreichen, auch gegebenenfalls in dem anderen Land, je nachdem wie die Konstellation dann ist. Seit es in England die schuldfreie Scheidung ohne Wartezeit (vor Antrag) gibt, ist es schwer zu sehen, wie eine englische Scheidung abgewiesen werden könnte.

Im englischen Recht sind die Regeln komplizierter. Kurz gesagt gibt es strikte Regeln für Fälle, in denen es einen Scheidungsantrag anderswo im Vereinigten Königreich gibt, aber überall sonst hat das Gericht einen Ermessensspielraum und erwägt, welches Land das beste für den Fall ist. Ein Aspekt könnte natürlich sein, ob der Antrag in dem anderen Land zuerst eingereicht wurde und der Fall dort schon fortgeschritten ist.

Da finanzielle Fragen meist in der Scheidung oder im Anhang daran entschieden werden und die Resultate von Gericht zu Gericht sehr verschieden ausfallen können, ist es wichtig, sorgsam und schnell zu erwägen, welches Gericht für Sie am besten ist und ob Sie eine Scheidung sofort starten können, um zu verhindern, dass Ihnen Ihr Ehepartner zu vor kommt. Manchmal wird dies abwertend “forum shopping” genannt, aber dies sind einfach vernünftige Überlegungen, was den Umständen entsprechend am Besten ist. Wenn Sie das nicht mit Ihrem Anwalt tun, tut es Ihr Ehegatte sicher!

Während manche Länder regeln, welches Recht bei einer Scheidung und bei Finanzen Anwendung findet, wenden englische Gerichte immer englisches Recht an und lassen eine Rechtswahl in Eheverträgen vollkommen außer Acht. Selbst wenn das andere Gericht auch englisches Recht anwenden würde, ist es ziemlich sicher, dass der ausländische Richter englisches Recht ganz anders anwenden würde, weil finanzielle Fragen nach dem Billigkeitsprinzip entschieden werden.


Selbst in internationalen Fällen ist es möglich, ein Gesamtpaket durch Mediation zu erreichen. Manchmal muss man in einem Land zuerst ein Verfahren anfangen, damit der andere das nicht in dem anderen Land macht. Gerichtsprozesse können allerdings sehr teuer werden, vor allem wenn man in mehr als einem Land gleichzeitig prozessiert. Mediation kann dies überbrücken und Sie können Mediation zu jeder Zeit während eines Prozesses anfangen.

Für Rechtsberatung zu Ihren persönlichen Umständen, nehmen Sie bitte mit Andrea Woelke Kontakt auf. Er ist Consultant Solicitor bei Josiah-Lake Gardiner Solicitors. Rufen Sie ihn unter 020 3633 0338 (+44 20 3633 0338 aus dem Ausland) an, oder schicken Sie ihm eine (bitte geben Sie Ihren vollen Namen, sowie den der anderen Person in Ihrem Fall und Ihre Telefonnummer, auf der er Sie zurückrufen kann, an).

Bitte beachten Sie, dass Josiah-Lake Gardiner Solicitors keinen Vertrag haben, Mandate auf der Basis der Prozesskostenhilfe (Legal Aid) anzunehmen. Wenn Sie meinen, Ihre finanziellen Umstände könnten Sie zu Legal Aid berechtigen, schauen Sie bitte auf dieser staatlichen Webseite nach und nehmen Sie mit einem Anwalt, der einen Legal Aid Vertrag hat, Kontakt auf.

7. Februar 2024 von Andrea Woelke